|
Zu Gast in Adensen
Vom hektischen Lebensstil westlicher Industrienationen scheint David Swallow völlig unberührt. Wenn er schlanke Mann mit den
langen dunklen Haaren über seine eigenen kulturellen Wurzeln spricht, geschieht das jedenfalls ganz ohne Eile. Gemächlich reiht er mit ruhiger Stimme Satz an Satz, unterstreicht seine Worte mit sparsamen
Handbewegungen, die nie in betriebsames Gefuchtet ausarten.
Der Lakota-Indianer aus Süd-Dakota ist wohl der erste Medizinmann, der jemals Adensen betreten hat. Auf Einladung des in dem Dörfchen ansässigen
Jörg-Christian Sievers Grey Owl will der Schamane eine indianische Schwitzhüttenzeremonie feiern. Doch dem Aufenthalt in dem halbrunden Inipi, der aus Weidenzweigen geflochtenen Schwitzhütte, geht ein ausführlicher
Exkurs in die indianische Gedankenwelt voraus. Der 47jährige, der vor fast 30 Jahren in die Fußstapfen seines Großvaters getreten ist, beantwortet dabei auch eine Frage, die ihm von Europäern oft gestellt wird -
die nach seinem beruflichen Werdegang.
Das Wissen eines Medizinmannes werde nach bestimmten Riten von Generation zu Generation weitergegeben, erzählt der Indianer. “Man kann es nicht auf einer Schule lernen,
man wird für diese Aufgabe auserwählt”. Auf dem Weg zum Priester hat er sich Visionen und Grenzerfahrungen ausgesetzt, die manchen Zuhörer ziemlich mystisch anmuten. Doch David Swallow ist der Alltagswelt nicht weniger
verhaftet. Die traurigen Fakten, die ihn zum Kämpfer für die Rechte der Lakota-Indianer gemacht haben, sind ihn nur zu bewusst. Hohe Arbeitslosigkeit und quälende Armut bestimmen das Leben der Menschen im
Pine-Ridge-Reservat, in dem auch Swallow zu Hause ist.
“Mein Volk schmilzt dahin wie Schnee im Sommer”,
klagt er. Das monatliche Pro-Kopf-Einkommen liege nur bei 27 Dollar. In dem berühmten
Häuptling Sitting Bull sieht er ein früheres Vorbild für sein Engagement. “ Er hat sich auch in die Politik eingemischt”, sagt Swallow, der ein Schulprojekt für Kinder und Jugendliche ins Leben gerufen hat. Es soll dem
Nachwuchs der Lakota-Indianer helfen die eigenen Wurzeln wiederzufinden und eine eigene Identität zu bewahren.
“Deshalb lehnen wir auch den von den Weißen stammenden Namen
“Sioux” ab, in unserer Sprache heißen wir Lakota”,
betont der Medizinmann. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für die jungen Leute gibt er nicht auf, obwohl das Verhältnis zwischen den Nachkommen der
Ureinwohner und den anderen Nordamerikanern immer noch schwierig ist. Den Aufenthalt in Deutschland und damit auch den Besuch in Adensen genießt Swallow jedoch nicht nur wegen des Interesses an indianischen
Traditionen. Er gibt ihm auch die Gelegenheit zum Vergleich:
“Unser Leben zu Hause ist sehr hart - mir gefällt, dass Vieles hier einfacher ist.” |